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Konstanz PV plant
Beispielhaftes Smart-Metering-Projekt der Stadtwerke Konstanz
Die Kür vor der Pflicht

Die Stadtwerke Konstanz werden im Lauf des Jahres 2016 intelligente Messsysteme installieren, um ein vollständig EnWG-konformes und automatisiertes Mieterstrommodell umzusetzen – wahrscheinlich eine Premiere in Deutschland. Die Gateways liefert Theben, als Messdienstleister (MDL) wurde das Saarbrücker Unternehmen co.met beauftragt.

 

Neue Geschäftsmodelle auf Grundlage intelligenter Messsysteme sind für die meisten Stadtwerke noch wenig konkret. Im besten Fall sieht man sie vielleicht als Kür nach der mühevollen Pflicht des Smart Meter Rollouts. In Konstanz dagegen ist man bereits dort angekommen. Hier gab die Entwicklung eines Mieterstrommodells den Anstoß für die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Smart Metering. „Mieterstrommodelle sind in bestimmten Fällen eine relativ clevere Antwort auf die sinkenden Börsenpreise für KWK-Anlagen und Einspeisevergütungen für regenerativ erzeugten Strom“, sagt Gordon Appel, Leiter Produktmanagement der Stadtwerke Konstanz. Denn für Strom, der in räumlicher Nähe zur Erzeugung ohne Durchleitung durch ein öffentliches Netz verbraucht wird, entfallen bestimmte Abgaben, die Netznutzungsentgelte sowie einige Umlagen und die Stromsteuer. In der Konsequenz wird der Strom deutlich günstiger – bei KWK-Anlagen sinkt der Preis pro kWh (Q2/2016) im Vergleich zu einem Musterhaushalt mit 3.500 kWh im Netzgebiet Konstanz um ca. 6 Cent. In Gebieten mit höheren Netznutzungsentgelten kann die Einsparung noch wesentlich größer ausfallen. Dem gegenüber stehen höhere Kosten für die Messtechnik und die Messdienstleistung. Von den verbleibenden Einsparungen profitiert der Endkunde, der nur noch den zusätzlich benötigten Reststrom zum vollen Preis abnimmt, aber auch der Anlagenbetreiber oder Contractor, der mit seiner Erzeugungsanlage auf diese Weise bessere Erlöse erzielen kann. Appel ist überzeugt: „Auch für den Vertrieb im Stadtwerk ist der Mieterstrom ein wirklich attraktives Produkt, mit dem sich Kunden gewinnen und binden lassen.“

 

Messtechnik Foto 3

Besonders gut geeignet sind Mieterstrommodelle nach Appels Einschätzung für Mehrfamilienhäuser oder Quartiere mit eigenen Blockheizkraftwerken und PV-Anlagen. Dementsprechend entschloss man sich bei den Stadtwerken Konstanz vor rund anderthalb Jahren, gemeinsam mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft WOBAK in vier Neubaugebieten mit insgesamt rund 170 Wohn- und Gewerbeeinheiten Mieterstrommodelle zu realisieren. Mit einer Ausnahme (nur PV) werden in den Objekten KWK- und PV-Anlagen kombiniert.

An den Grenzen konventioneller Verfahren

Die Ansprüche im Produktmanagement waren von Beginn an hoch gesteckt: „Wir als Stadtwerk müssen eine absolut rechts- und marktkonforme Abrechnung anbieten, die zudem automatisiert erfolgt“, führt Gordon Appel aus. „Jeder Mieter soll sehen, wie sich sein Verbrauch genau zusammensetzt.“ Das diene nicht nur der Kostentransparenz, sondern ermögliche es den Stromkunden in einem weiteren Schritt auch, den Verbrauch an die Verfügbarkeit des günstigen Direktstroms anzupassen.

Leider war schnell klar, dass diese Ziele mit der vorhandenen Ausstattung – bestehend aus Ferraris-Zählern und einem marktüblichen Abrechnungssystem – nicht zu erreichen waren. Speziell die Abbildung von Wechselprozessen wäre problematisch gewesen, da sich in diesem Fall die Aufteilung der Verbräuche zwischen den Nutzern und somit die Abrechnungssystematik ändert. Entsprechend hätte man die Verbräuche stichtagsgenau manuell erfassen müssen, was naturgemäß mit sehr hohem Aufwand verbunden wäre. Im konventionellen Summenzählermodell ist überdies keine Differenzierung nach tatsächlicher, zeitlich aufgelöster Stromnutzung möglich und es kann nur ein kumulierter Direkt- und Reststromverbrauch ermittelt werden. „Mit der konventionellen Ausstattung hätten wir den Mieterstrom nicht so abrechnen können, wie es das EnWG vorsieht“, fasst der Leiter des Produktmanagements zusammen.

Einstieg ins intelligente Messwesen

Für die Stadtwerke Konstanz gab dies den Anstoß, sich umfassend mit intelligenter Mess- und Kommunikationstechnik und der automatisierten Übermittlung und Verarbeitung von Zählerständen und Verbräuchen auseinanderzusetzen. Denn diese Infrastruktur ermöglicht eine Differenzierung nach tatsächlicher, zeitlich aufgelöster Stromnutzung auf Basis von 15-Minuten-Werten und liefert stichtagsgenau die Verbräuche der Mieterstromkunden bei Wechselprozessen. Doch eine Hürde blieb: „Die komplexe Berechnungssystematik zur Bestimmung des zeitlichen Anteils an Direkt- und Reststrom ist in unserem Kundeninformations- und Abrechnungssystem nicht abbildbar“, so Gordon Appel. „Darum benötigten wir einen externen Messdienstleister, der die Daten der Zählpunkte im Arealnetz ausliest, entsprechend unserer Anforderungen verarbeitet und an unser hausinternes System zurückgibt.“ Im Saarbrücker Unternehmen co.met fanden die Stadtwerke Konstanz den geeigneten Partner für diese Pionieraufgabe: Gemeinsam wurde eine Lösung entwickelt, mit der sich die kaufmännisch- bilanzielle Durchleitungsmenge der Kundenanlage, der jeweilige Anteil von Direkt- und Reststrom sowie die Einspeisung von PV- und/oder KWK-Strom berechnen lassen. Den Algorithmus entwickelte Appel selbst, co.met gestaltete daraus die Abrechnungslösung.

Die Installation der Anlagen in den Neubauprojekten der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft WOBAK läuft bereits auf Hochtouren, seit März 2016 befindet sich das erste Mieterstrommodell im Livebetrieb. Weitere Anwendungsmöglichkeit sehen die Stadtwerke Konstanz in Bestandsgebäuden mit KWK-Anlagen.

 

Weitere Informationen unter:
https://www.stadtwerke-konstanz.de/energie-und-wasser/strom/seeenergie-tarife/stromdirekt

Intelligente Messtechnik in Konstanz

Die Messtechnik umfasst intelligente Zähler der Unternehmen EasyMeter sowie EMH und Gateways von Theben. Die Kommunikation erfolgt über das Glasfasernetz der Stadtwerke Konstanz. Da die Gateways in dieser Infrastruktur den wichtigsten Kostenfaktor darstellen, schauten sich die Konstanzer die Leistungsmerkmale der am Markt verfügbaren Produkte genau an. „Die CONEXA 2.0 von Theben ist für maximal zehn abrechnungsrelevante Zähler zugelassen, so dass wir hier in der Summe Hardwarekosten sparen”, erläutert Appel. Außerdem kann das Gerät auch Verbrauchsdaten anderer Sparten (Wasser, Wärme und Gas) übermitteln. „Auch daraus kann ja mittelfristig eine Dienstleistung der Stadtwerke werden”, meint der Leiter des Produktmanagements schmunzelnd. Genau diese breite Perspektive macht auch aus Sicht von Ruwen Konzelmann, Key Accout Manager bei Theben, das Besondere an dieser Anwendung aus: „Wir freuen uns, dass wir mit den Stadtwerken Konstanz einen Kunden gewonnen haben, der schon heute das gesamte Potenzial des Themas Smart Metering im Blick hat.”

 

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